Fahrzeugrückhaltesysteme richtig geplant: Sicherheit beginnt vor dem Zaun

Wenn es um den Schutz von Liegenschaften, Infrastrukturen oder öffentlichen Bereichen geht, denken viele zuerst an Zutrittskontrolle, Videotechnik oder Alarmanlagen. Doch eine zentrale Schwachstelle bleibt oft unbeachtet: die Zufahrt mit einem Fahrzeug – ob durch Unfall, Fahrlässigkeit oder Vorsatz.

Fahrzeugrückhaltesysteme (FRS) sind bauliche Einrichtungen. Ihre Aufgabe ist es, abkommende Fahrzeuge aufzufangen, abzulenken oder zum Stillstand zu bringen und so schwere Folgen für Mensch und Umwelt zu minimieren. Beispiele für solche Systeme sind Schutzplanken und Anpralldämpfer. Sie verhindern, dass Fahrzeuge ungehindert Menschen, Gebäude oder kritische Systeme erreichen. Sie sind damit ein essenzieller, aber oft vergessener Teil jeder ganzheitlichen Sicherheitsstrategie. Die Evolution der Rückhaltesysteme von starren Anfängen hin zu modernen, energieabsorbierenden Konstruktionen aus hochfestem Stahl oder Verbundwerkstoffen zeigt die kontinuierliche Weiterentwicklung in diesem sicherheitsrelevanten Bereich.

Wenn Schutz am Fahrbahnrand beginnt

Ein Fahrfehler, Glätte oder eine kleine Unachtsamkeit – und schon kommt ein Fahrzeug von der Straße ab. Wer in diesem Moment kein effektives Rückhaltesystem eingeplant hat, setzt sich und andere unnötigen Risiken aus. Gerade an Liegenschaften nahe stark befahrener Straßen, auf Betriebshöfen oder bei Anlagen mit erhöhtem Schutzbedarf (z. B. Umspannwerke, Rechenzentren, Wasserwerke oder andere Einrichtungen von kritischen Infrastrukturen) reicht ein einziges Fahrzeug, um großen Schaden anzurichten. Rückhaltesysteme wirken hier präventiv: Sie leiten Fahrzeuge kontrolliert ab, absorbieren kinetische Energie und schützen damit sowohl Menschenleben als auch betriebliche Werte. Gut konzipierte Systeme reduzieren zudem die auf die Fahrzeuginsassen wirkenden G-Kräfte, was das Verletzungsrisiko minimiert.

Häufige Fehler in der Praxis

Trotz ihrer Bedeutung werden Rückhaltesysteme häufig falsch eingesetzt oder komplett vergessen. Typische Planungsfehler:

  • Verwechslung mit Durchfahrtssperren: Rückhaltesysteme schützen seitlich – gegen einen Frontalaufprall helfen andere Lösungen,  z. B. geprüfte und zertifizierte Sicherheitspoller).
  • Fehlende Fläche für den Wirkungsbereich (W): Der seitliche Abstand zwischen der Fahrbahnkante und der maximalen dynamischen Auslenkung des Rückhaltesystems bei einem Anprall muss frei von Hindernissen sein. Systeme benötigen diesen Deformationsraum – wer das ignoriert, riskiert eine ineffektive oder gar gefährliche Konstruktion.
  • Falsche Systemwahl: Die Anforderungen unterscheiden sich je nach Verkehr, Gelände und Schutzobjekt – ein Standard-System reicht nicht immer. Die Aufhaltestufe (Leistungsstufe) gemäß der europäischen Norm EN 1317 – die die Fähigkeit eines FRS beschreibt, Fahrzeuge unterschiedlicher Größe und Geschwindigkeit aufzuhalten, muss sorgfältig auf die spezifischen Risiken abgestimmt sein.
  • Nichtbeachtung von Mindestlängen: Rückhaltesysteme müssen in geprüfter Systemlänge verbaut werden, sonst verlieren sie ihre Schutzwirkung. Eine Unterschreitung der Mindestlänge kann die Funktionalität erheblich beeinträchtigen.

Sicherheit beginnt bei der Planung

Wer Rückhaltesysteme frühzeitig in seine Sicherheitsüberlegungen einbezieht, spart nicht nur Kosten – eine Kosten-Nutzen-Analyse zeigt oft die langfristige Wirtschaftlichkeit durch vermiedene Schäden, sondern erhöht die Schutzwirkung spürbar. Dabei sollten Sicherheitsverantwortliche insbesondere:

  • die Art und Häufigkeit des Verkehrs in der Umgebung bewerten,
  • potenzielle Kollisionsszenarien (z. B. Glätte, Ablenkung, gezielte Durchfahrt) berücksichtigen und dabei auch den Anprallwinkel und die Anprallgeschwindigkeit in ihre Überlegungen einbeziehen, die bei Prüfverfahren simuliert werden.
  • und mit ausreichend Abstand zur Anlage planen, um Deformation und Schutzwirkung sicherzustellen. Achten Sie dabei auf den notwendigen Wirkungsbereich.

Die Einhaltung der europäischen Norm EN 1317 ist dabei unerlässlich, da sie die Leistungsbewertung (Aufhaltestufe), den Wirkungsbereich und die Anprallheftigkeit (ASI) – ein Maß für die Schwere des Aufpralls auf die Fahrzeuginsassen – standardisiert. Gegebenenfalls sind auch länderspezifische Unterschiede in den Richtlinien zu beachten. Besondere Aufmerksamkeit sollte auch Übergangskonstruktionen zwischen verschiedenen Systemen oder zu festen Bauwerken sowie Endausbildungen zur Minimierung des Aufspießrisikos gelten.

Ein Thema für jede Schutzstrategie

Fahrzeugrückhaltesysteme sind kein Zusatz – sie sind ein integraler Bestandteil moderner physischer Sicherheit. Insbesondere in sensiblen Bereichen oder bei exponierten Liegenschaften ist es essentiell, auch diese Schutzmaßnahme in die Sicherheitsarchitektur einzubringen. Möglicherweise kann der Einsatz adäquater Rückhaltesysteme sogar positive Auswirkungen auf Versicherungsprämien haben.

Mehr zu Technik, Planung und häufigen Fehlern beim Einsatz von Fahrzeugrückhaltesystemen erfahren Sie in unserer aktuellen Podcast-Folge von „Fill the Gap – der Security Podcast“. Ab dem 29.05.2025 überall wo es Podcasts gibt.

Miriam Strauß

Marketing & Kommunikation
Miriam Strauß beschäftigt sich täglich mit den neuesten Entwicklungen im Bereich KI und Marketing und ist bei Concepture für die Kommunikation zuständig.

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