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Angriffsfläche Straße – wie wir Fahrzeuge stoppen können – mit Tim Tusar (Saferoad)

In dieser Episode von FILL THE GAP – der Security Podcast sprechen wir über einen oft übersehenen, aber sicherheitskritischen Bestandteil vieler Schutzkonzepte: Fahrzeugrückhaltesysteme.

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🎙️ Zu Gast: Tim Tusar von Saferoad Er erklärt praxisnah, worauf es bei der Planung, Auswahl und Platzierung solcher Systeme ankommt – und warum sie bei Events, in der Stadtplanung oder im Werkschutz eine zentrale Rolle spielen.

🔒 Warum das Thema wichtig ist: Ob Schutz gegen Amokfahrten, Unfälle oder gezielte Angriffe – wer physische Sicherheit ganzheitlich denkt, muss auch die Zufahrt mit einplanen. Rückhaltesysteme schützen Menschenleben, Infrastruktur und Betriebsabläufe.

Peter Dupach: Ich durfte mal so einen Test live erleben, das war sehr interessant, da wurde ein Poller getestet, ich glaub nach dem Pass 68, besagt, ein LKW wird mit 50 Stundenkilometer beschleunigt, da hatten sie so einen Seilzug. Und dann wurde der LKW dann halt gegen diesen Poller geschleudert, was auch sehr interessant war, einmal diese Kräfte mal live zu erleben. Man sieht das vielleicht auf YouTube, man hat das mal überall mal auf dem Video gesehen, aber die Kräfte, die da dort herrschen, die Geräuschkulisse, alles das was man so wahrnimmt, das…

Peter Dupach: Herr Tusar, schön, dass Sie dabei sind heute bei Fill the Gap.

Tim Tusar: Ja, herzlichen Dank.

Peter Dupach: Ja, ich freue mich riesig. Wir hatten ja schon mal so eine Unterhaltung gehabt vor einigen Wochen. Das war letztes Jahr, 2024. Da haben wir uns schon mal über das Fahrzeugrückhaltesystem unterhalten. Und so ein bisschen hat es mich geärgert, dass wir da noch kein Podcast-Set hatten. Diese Unterhaltung, die wir hatten, die hätten wir eigentlich schon aufnehmen und direkt nutzen können.

Tim Tusar: Ja, das war sehr informativ, ne?

Peter Dupach: Das war sehr informativ. Hat mir richtig Spaß gemacht. Ja, umso mehr freue ich mich, dass Sie sich heute noch die Zeit genommen haben, nochmal nach Köln zu kommen, um heute das dann aufzunehmen. Ich möchte Sie kurz vorstellen. Sie sind vom Hause aus Industriekaufmann. Seit 18 Jahren im Bereich Fahrzeugrückhaltesystem unterwegs. Und davon jetzt seit circa drei Jahren bei der Firma Safe Road.

Peter Dupach: Als?

Tim Tusar: Als Product Manager für Anpralldämpfer und Sales Manager im Bereich Business Development. Ich mache Schulungen und Trainings für unsere eigenen Niederlassungen, wenn es neue Systeme gibt, aber auch für die ausschreibenden Behörden, also sprich Straßenbaubehörde, Autobahn GmbH und so weiter.

Peter Dupach: Okay. Wir haben das Gespräch ein bisschen vorbereitet, weil ich wollte mich jetzt nicht aufs Glatteis begeben, denn Sie sind auch Karate-Meister. Haben den schwarzen Gürtel.

Tim Tusar: Ja. Im Shotokan Karate und mache das schon seit über 20 Jahren und mit sehr viel Spaß und seit letztem Jahr auch mit dem zweiten Dan.

Peter Dupach: Mit dem zweiten Dan. Und Ihre Tochter ist da auch mit drin, ne?

Tim Tusar: Das macht sehr viel Spaß. Das ist so unser gemeinsames Ding und jetzt am Wochenende haben wir noch einen Lehrgang. Gemeinsam. Wird lustig!

Peter Dupach: Sehr gut. Wir haben heute das Thema Fahrzeugrückhaltesysteme. Was versteht man unter einem Fahrzeugrückhaltesystem und wo kommen diese typischerweise zum Einsatz?

Tim Tusar: Ja. Fahrzeugrückhaltesysteme sind nach europäischer Norm getestete Systeme, die am Fahrzeugrand oder auch im Mittelstreifen von Autobahnen stehen und verhindern sollen, dass wenn mir ein Fehler unterläuft, jetzt klassisch, ja, irgendwie Handy am Steuer oder ich gebe gerade eine neue Route im Navi ein und plötzlich kam da eine Kurve und ich sitze in der sogenannten Leitplanke. Ja, aber genau das ist das böse Wort. Im Business sagt man „Schutzplanke“.

Peter Dupach: Schutzplanke, ja. Das sind die klassischen, genau. Ich sag mal so, man kennt es von Leitplanken, wenn man davon auch privat jetzt mal erzählt oder mal sich unterhält, dann sind es immer die Leitplanken. Ich hatte in unserer Unterhaltung, wo wir uns mal drüber ausgetauscht hatten, da hatten Sie erwähnt, dass Leitplanke bis zu einer gewissen Stundenkilometer von Fahrzeugen noch einen Schutz bietet und das hört irgendwann auf. Ab einer gewissen Geschwindigkeit, ne?

Tim Tusar: Ja, wie gesagt, bevor wir überhaupt irgendwas auf die Straße stellen dürfen, muss das nach europäischer Norm getestet werden. Und da gibt es verschiedene Aufhaltestufen, die eben voraussetzen, dass ein Fahrzeug da reinfährt mit einem gewissen Gewicht, mit einem gewissen Anprallwinkel. Und das erzeugt dann kinetische Energie. Der Hintergrund einer Schutzplanke ist ja Deformation. Und durch die Deformation wird Energie absorbiert. Und dadurch, dass ein Fahrzeug eben während des Tests mit, sagen wir mal, ein 10-Tonnen-LKW mit 15 Grad und 65 km/h da reinfährt, dann wird geguckt, wie viel kinetische Energie das System aufnehmen kann.

Peter Dupach: Aber da geht es ja auch sehr viel um Insassenschutz. Also gerade wenn wir jetzt an eine Autobahn denken, dass wenn jemand mal von der Fahrbahn kommt, dass es nicht direkt unbedingt tödlich enden muss. Dann gibt es dieses Fahrzeugrückhaltesystem, was jemanden wieder so ein bisschen auf die Straße zurückdrängt und verhindert, dass man da irgendwie jetzt hier eine Böschung vielleicht runterrollt mit dem Fahrzeug, ne?

Tim Tusar: Genau. In erster Linie geht es ja darum, dass es auch Hindernisse entlang der Straße gibt. Sei es jetzt eine Verkehrszeichenbrücke, wo so ein riesen Betonklotz quasi als Fundament dient. Oder eben ein einfacher Baum. Alleen zum Beispiel. Entlang der Alleen, das ist ein riesen Thema, weil die Bäume neigen dazu, immer auf die Straße zu springen, und dann fahren die Autos da rein. Nein, aber es geht eben darum, gewisse prägnante Punkte abzusichern und eben zu gewährleisten, dass wenn mal jemand von der Straße abkommt, nicht sofort ein tödlicher Unfall passiert.

Peter Dupach: Ja, aber da gibt es auch von der Geschwindigkeit eine Grenze. Ich hatte so 100 Stundenkilometer im Kopf.

Tim Tusar: 100 Stundenkilometer steht immer auf den Schildern drauf, und dann gehen wir davon aus 20 km mehr oder weniger, das macht ja jetzt keinen Sinn, ne? Ja, aber die Maximumgeschwindigkeit tatsächlich bei den Tests ist 110 km/h.

Peter Dupach: 110 km/h, okay. Weil es gibt immer Autobahnabschnitte von unserer Unterhaltung damals. Das ist bei mir so im Kopf geblieben. Seitdem sehe ich die Autobahn ganz anders. Man hat ja dann, ist ja so eine Berufskrankheit, dass man plötzlich dann auch auf andere Dinge achtet. Früher habe ich mich immer super geärgert, wenn, ich sag mal, man kommt von einem Autobahnabschnitt, erst mal unbegrenzt, dann auf einmal schlagartig 120, 100, 80, und dann fährt man ein paar hundert Meter 80, und dann ist alles offen. Und dann habe ich mich damals immer gefragt, machen das die Kommunen eigentlich extra, dass sie da genau an der Stelle jetzt einen Blitzer aufstellen können, damit du halt einfach da volle Kanone in diesen Blitzer reinrast? Aber es hat auch einen anderen Hintergrund.

Tim Tusar: Das hat tatsächlich einen anderen Hintergrund. Das wäre sehr einfach damit zu begründen, dass man sagt, okay, wir wollen Geld generieren. Nein, tatsächlich gibt es, wie für die meisten Sachen in Deutschland, eine Richtlinie. Und für die Schutzeinrichtungen gibt es die RPS, seit 2009 eingeführt, mittlerweile auch wieder in der Überarbeitung. Und die regelt, unter welchen Bedingungen was für eine Schutzeinrichtung wo installiert sein muss. Und da geht es eben nach einem ganz einfachen Prinzip: Frage-Antwort-Prinzip. Was ist das Problem? Ich analysiere das Problem. Wenn ich das analysiert habe, also herausgefunden habe, was ist hier das Problem? Zum Beispiel, wir haben hier vier Gefährdungsstufen. Und wenn ich analysiere, die Gefährdungsstufe ist nicht der Fahrzeuginsasse, sondern in dem Moment ein ICE, der entlang der Autobahn fährt. Und wenn da ein Auto runterfällt und den ICE trifft, ja, Teufel ist ein Eichhörnchen. Dann haben wir mehr als nur die Fahrzeuginsassen, die davon betroffen sind.

Tim Tusar: Also wird geguckt, Gefährdungsstufe. Dann wird geguckt, was ist denn das für eine Straße? Ist das eine Landstraße oder ist das eine Autobahn? Und dann steht da bei der Gefährdungsstufe 1 die Geschwindigkeit: Welche Geschwindigkeit darf ich hier fahren? Größer als 50 km/h. Dann wird gesagt: okay, größer als 50 km/h und bei Gefährdungsstufe 1, dann kommt nur noch die nächste Frage, wie viel LKW und PKW fahren da drüber? Und dann habe ich sofort eine Antwort, was für ein Aufhalteniveau die Schutzeinrichtung eigentlich haben muss, die dort installiert werden soll.

Peter Dupach: Ja, vielleicht sind jetzt auch viele Autofahrer gerade im Auto und hören unserem Podcast zu. Vielleicht gehen jetzt auch viele auf die Bremse und denken, ja, okay, ich halte mich jetzt an die Geschwindigkeit. Man sollte sich ja grundsätzlich immer dran halten, ne? Ich erlebe es in der Praxis immer wieder, dass die Fahrzeugrückhaltesysteme mit diesen Durchfahrtsschutzlösungen, wie diese, ich sage mal, Schutzpoller, verwechselt werden. Die habe ich sogar bei einem Kunden mal gehabt: Die haben sich zum Schutz der Fassade ein Leitplankensystem einmal so drumherum gebaut und hatten echt gedacht, dass halt dieses Leitplankensystem vor Fahrzeugen schützt, die frontal drauf fahren. Viele verwechseln das. Die Fahrzeugrückhaltesysteme haben hier ja nur einen Aufprallwinkelgrad von 20°?

Tim Tusar: 20 Grad oder 15 Grad, je nachdem, mit welchem Fahrzeug ich da drauf fahre.

Peter Dupach: Genau, also dieses frontale Zufahren auf eine Leitplanke, das hält sie nicht stand.

Tim Tusar: Nein, das wird auch so gar nicht getestet. Also man muss dazu sagen, wir testen nicht die Realität. Das ist ein Durchschnitt, der irgendwann mal innerhalb der Harmonisierung dieser Norm festgelegt wurde. Und da gibt es halt einmal die 15 Grad und einmal die 20 Grad. Und was ein normaler Industrie-Schutz zum Beispiel darstellt, ist nur, dass ein Gabelstapler, der jetzt da gerade irgendwie kursiert, nicht unbedingt gegen den tragenden Pfeiler fährt, sondern dass da noch irgendwo ein Puffer dazwischen ist. Und da nimmt man auch gerne die Erfahrung aus dem Schutzplankenbereich, weil man weiß, wie viel kinetische Energie aufgenommen werden kann. Aber hier spielen ganz andere Sachen eine Rolle, wie zum Beispiel die Statik, die davor überhaupt mal berechnet werden muss, weil das System aufgedübelt ist auf irgendeinem Betonfundament oder sonst irgendwie. Also, das eine hat mit dem anderen nur bedingt was zu tun.

Peter Dupach: Ja. Vielleicht kann man die Reise von vorne mal anfangen. Also, wir konzentrieren uns sehr auf den physischen Schutz gerade im KRITIS-Umfeld. Und da haben wir jetzt viele Situationen halt auch gehabt, dass wir mit einer Zaunanlage relativ nah an einem Feldweg waren oder teilweise auch an einer Bundesstraße, wo die Kommune selber erstmal kein Leitplankensystem vorsieht, es nicht für notwendig hält. Wir aber sagen: Zum Schutz der kritischen Infrastruktur und aber auch der Liegenschaft wollen wir nicht, dass jedes Fahrzeug, das von der Fahrbahn abkommt – das muss ja keine böse Absicht sein, das kann ja durchaus auch durch einen Unfalleffekt kommen. Wenn ich an Winter denke: Glatteis, Fahrzeug kommt von der Fahrbahn ab und rauscht mir dann in die Anlage rein. Und im schlimmsten Fall ist direkt hinter der Zaunanlage vielleicht sogar wirklich ein kritisches Asset und der knallt da rein und mir fällt dort für diese Region auch mehrere Stunden dann der Strom aus. Davor wollen wir uns schützen, und dann schaut man sich an: Wie ist die Fahrbahn, wenn sie parallel zu dem Zaun verläuft? Dann arbeiten wir gerne mit so einem Fahrzeugrückhaltesystem. Aber wenn es dann zu irgendeiner Ecke kommt mit einer T-Kreuzung, da muss man sich die Situation nochmal anschauen. Da braucht man dann zusätzlich dahinter nochmal Durchfahrtsbarrieren. Vielleicht können wir nochmal von vorne anfangen: Was muss ich als Planer wissen, wenn ich ganz neu anfange und ich möchte die Liegenschaft schützen?

Peter Dupach: Worauf muss ich achten, wenn ich jetzt ein Fahrzeugrückhaltesystem plane?

Tim Tusar: Wirklich erstmal schauen: Was ist denn das für eine Straße? Was fahren denn da für Autos drüber? Ist es das normale Fahrzeug mit den normalen Insassen-PKW, ja, so ein 900-Kilo-PKW oder ein 1500-Kilo-PKW, oder sind das schon größere LKW, die da durchfahren oder entlangfahren? Die Frage ist ganz einfach: Wovor muss ich schützen? Dann kommt der Punkt: Wie weit bin ich entfernt und wie weit ist das, was dahinter sitzt, entfernt? Weil jede Schutzeinrichtung, also jede Schutzplanke, hat eine Deformationsweite. Die nennt sich bei uns Wirkungsbereich. Die wird auch bei so einem Test dann gemessen. Das ist die maximale Deformation der Planke, und soweit muss dann auch unser Hindernis im Straßenbau entfernt sein – oder in Ihrem Fall: Soweit sollte dann das nächste Geländer entfernt sein.

Peter Dupach: Ja, das heißt ja im Endeffekt: Wenn ich mir jetzt als Planer… Es wurde jetzt ein Grundstück ausgesucht – machen wir mal klassisch ein Umspannwerk. Wir wissen, wo unsere Grundstücksgrenze ist, da fängt es ja schon an. Die Zaunanlage baue ich ja auch nicht direkt auf die Grundstücksgrenze. Wir haben ja teilweise auch Zäune mit einem Überstiegsschutz, mit einem Y-Ausleger, der ragt dann manchmal noch so einen halben Meter raus. Den rechne ich mir ab; das heißt, ich muss diesen halben Meter schon mal in die Grundstücksgrenze reinragen. Das heißt, wenn man die ganze Liegenschaft betrachtet, geht da schon mal Fläche verloren. Jetzt kommt das Fahrzeugrückhaltesystem – das muss ja auch innerhalb meiner Grundstücksgrenze stehen. Jetzt kommt dieser Wirkungsbereich. Gehen wir mal davon aus, wir haben LKW-Verkehr und jetzt prallt der dort auf die Leitplanke. Dann haben wir einen Wirkungsbereich von wie viel? Kann man sagen: ein Meter oder zwei Meter? Was muss ich da einkalkulieren?

Tim Tusar: Ja, das kommt tatsächlich auf das System an. Also wir haben Systeme, da haben wir vielleicht so einen Meter Pfostenabstand – daran wird ja der Schutzplankenholm befestigt. Wenn ich einen niedrigeren Pfostenabstand habe, umso steifer wird das System, umso geringer ist dann auch der Wirkungsbereich. Die Wirkungsbereichsklassen fangen an von 0 bis 60 Zentimeter, von 60 bis 80 Zentimeter, von 80 bis 100 Zentimeter und so weiter – bis zwei Meter oder drei Meter fünfzig geht das dann so weiter. Wenn ich mir die Schutzplankenkonstruktion anschaue und ich weiß, wie sie getestet ist – das geben ja die Leistungsklassen wieder –, dann weiß ich auch, wie weit sie sich verbiegt, deformiert, im Falle ihres Tests. Einfaches Beispiel: Die Aufhaltsstufe N2 nach europäischer Norm heißt, das System wurde mit einem 900-Kilo-PKW und mit einem 1500-Kilo-PKW getestet. Dahinter steht die Wirkungsbereichsklasse. W3 würde sagen: ein Meter Deformation während dieses Tests. Dann kann ich das in etwa einordnen: Habe ich eine Straße, wo vornehmlich PKW fahren, dann kann ich sagen, wenn da ein PKW reinfährt, dann verbiegt sich das um so einen Meter ungefähr. Wenn ich aber sage, ich brauche was, weil hier zig LKW entlang fahren, dann sollte ich etwas Stärkeres nehmen, das auch anders getestet ist – etwa Aufhaltestufe H2 mit einem 13-Tonnen-Bus. Umso steifer, umso kleiner der Wirkungsbereich.

Peter Dupach: Oder höher, je nachdem – also man muss schauen. Genau, ich finde das sehr wichtig, dass man das von vornherein mitplant. Oft kommen wir spät in die Planung, dann ist die Grundstücksgrenze fest, der Zaunverlauf fast fest – und man merkt, die Fläche reicht nicht. Wenn wir sagen Wirkungsbereich über einen Meter, 1,50 Meter – mit Puffer, damit nicht jedes Mal der Zaun beschädigt wird. Gerade bei elektrischen Anlagen muss der Zaun geschlossen bleiben. Das heißt: Abstand einplanen. Die Leitplanke nimmt vom Aufbau her Platz weg plus der Wirkungsbereich, sagen wir 1,30 bis 1,50 Meter, plus der Überstiegsschutz, der darüber hinausragen kann. Das sind Meter, die man berücksichtigen muss – vor der Grundstücksgrenze. Bei der Planung muss ich auch die Prüflängen berücksichtigen. Ich kann ja nicht einfach fünf Meter Fahrzeugrückhaltesystem bauen.

Tim Tusar: Da fällt man sehr gerne wieder rein.

Peter Dupach: Ja. Also ich muss auch eine Mindestlänge bauen, damit das überhaupt funktioniert.

Tim Tusar: Die RPS sagt hier ganz klar: Mindestlänge ist die getestete Länge. Weil im Test bewiesen wurde, dass bei dieser aufgebauten Länge das System funktioniert. Aktuell heißt es: Mindestaufbaulänge = Prüflänge. Die muss ich berücksichtigen. Aber selbst im Straßenbau gibt es Situationen, da geht das nicht – weil plötzlich ein Feldweg quert. Man will dem Bauern ja nicht den Feldweg zubauen. Dafür gibt es Einsatzempfehlungen: Du kannst die Prüflänge nicht einhalten, wir gehen davon aus, dass das System hält, und verringern den Pfostenabstand. Wo das System normalerweise einen 4-Meter-Pfostenabstand hat, machst du 2 Meter oder 1 Meter. Es gibt diverse Möglichkeiten, das System der Situation anzupassen.

Peter Dupach: Ja.

Tim Tusar: Aber im Grunde sollte man immer die Prüflänge berücksichtigen.

Peter Dupach: Die ist auch gar nicht so kurz. Ich glaube, bei einem System, das wir mal für eine Liegenschaft durchgeplant hatten, waren wir bei rund 60 Metern Prüflänge.

Tim Tusar: Es gibt Systeme, die relativ kurz mit 48 Metern aufgebaut wurden. Es gibt aber auch welche mit 72 Metern. Das ist die Frage: Womit wurde getestet? Wofür soll es hier eingesetzt werden?

Peter Dupach: Wir haben vorhin über Abstände gesprochen. Viele Liegenschaften haben wenig Platz. Die Kommune baut an der Straße nichts an. Wir versuchen manchmal Deals – 50/50 – aber das ist schleppend. Wenn ich davon losgelöst auf meiner Grundstücksgrenze ein Fahrzeugrückhaltesystem vorsehen will: Wie viel Abstand muss ich von der Bundesstraße einhalten? Oder kann ich auf meiner Grenze machen, was ich will?

Tim Tusar: Eigentlich können Sie das machen, wie Sie wollen. Sie sind nicht an die Richtlinien gebunden wie Kommunen oder Straßenbaubehörden. Nach RPS muss ich 50 Zentimeter Mindestabstand von der Asphaltkante haben, um überhaupt montieren zu können. Das kann ich auf 25 Zentimeter reduzieren. In Ihrem eigenen Bereich – selbstverantwortlich – können Sie es hinstellen, wo Sie möchten.

Peter Dupach: Ein Thema noch zur Planung: Wenn das Fahrzeugrückhaltesystem einmal durchgebaut wird, die Enden – da muss eine Sonderkonstruktion vorgesehen werden. Entweder im Erdreich versenken (Achtung Rampeneffekt) oder abgerundet abschließen. Sonst habe ich vielleicht eine „Sprungschanze“ und Fahrzeuge rollen mir doch in die Liegenschaft. Da gibt es Sonderkonstruktionen, die man am Ende einsetzt, oder?

Tim Tusar: Ja, sogenannte Anfangs-Endkonstruktionen – Anfang einer Schutzplankenkonstruktion oder eben das Ende. Die sind mittlerweile getestet. Wir haben Absenkungen, die in der Erde eingegraben werden. Wir haben abgerundete Elemente mit wabenförmigen Stahlteilen, die Energie absorbieren. Aber auch hier gilt: So eine lange Absenkung ist dann 12 bis 16 Meter lang – je nachdem, an welches System angeschlossen wird. Wenn ich wirklich ein Resultat eines Tests voraussetze. Solange ich mich in einem Bereich befinde, der frei von Normen und Richtlinien ist, kann ich bauen, was ich möchte. Aber man sollte die Erfahrungen aus dem Straßenbau berücksichtigen und in den Industrie- oder Perimeterschutz übertragen.

Peter Dupach: Okay. Herr Tusar, jetzt haben wir viel über das Fahrzeugrückhaltesystem gesprochen. Auch am Anfang hatte ich erwähnt, dass Fahrzeugrückhaltesysteme oft mit Durchfahrtsbarrieren, also Sicherheitspollern, verwechselt werden. Können Sie den Unterschied nochmal deutlich erklären zwischen Fahrzeugrückhaltesystem und Durchfahrtsschutz?

Tim Tusar: Ja, ich war in der Vergangenheit auch mal in dem Bereich tätig; das nennt sich Perimeter Protection, Zufahrtsschutz oder Antiterror. Das hat mit Schutzplanken nichts mehr zu tun – wenn ich da eine Schutzplanke hinstelle, kommt da nichts mehr durch, beziehungsweise nur sehr schwer. Beim Zufahrtsschutz (Poller oder mobile Systeme) sind die Tests andere. Bei Fahrzeugrückhaltesystemen möchte ich zeigen, dass beim Anprall dem Fahrzeuginsassen nicht unbedingt etwas passieren muss und Unbeteiligte nicht gefährdet werden. Beim Zufahrtsschutz haben wir andere Normen und Richtlinien. Die sollen verhindern, dass das, was dahinter ist, vom Fahrzeug (Pickup, PKW, Transporter) in Mitleidenschaft gezogen wird. Man sieht das in Videos: Botschaften, Betonteile, Stahlsysteme – das Fahrzeug knallt rein, bewegt sich 1,20 m nach hinten, bohrt sich in den Asphalt, ist sofort außer Gefecht. Der Fahrzeuginsasse ist ebenfalls außer Gefecht.

Peter Dupach: Ja, gut, bei einem Terrorakt ist das vielleicht auch gar nicht so schlecht, wenn er erstmal nicht mehr aussteigt und weitermacht, ne?

Tim Tusar: Ja, man möchte aber auch nicht unbedingt ganzheitlich außer Gefecht sitzen. Ich habe mal einen Test live gesehen – sehr beeindruckend. Das Hauptfahrzeugteil kam zum Stehen, aber das Führerhaus und alles drumherum flog noch hunderte Meter weiter. Das Führerhaus hat sich abgetrennt, ist weitergerollt, plus Splitter – alles Material, das wegfliegt. Viele denken: „Wenn der Sicherheitspoller steht, ist hier eine Schutzgrenze.“ Ja, von wegen. Es gibt Abstände; man muss berechnen, wie weit so ein Führerhaus oder Teile fliegen.

Tim Tusar: Debris heißt das in der Fachsprache. Getestet wird nach einem anderen Prinzip; hier kommt der militärische Hintergrund eher zum Tragen, weil man davon ausgeht, dass hinten auf dem Sattelzug etwas Explosives sein kann. Man will ihn primär stoppen. Dass das Führerhaus sich abtrennt und wie eine Bowlingkugel weiterrollt, ist nicht immer positiv – Stichwort Veranstaltung mit Menschen dahinter. Es ist also eine Frage des Einsatzbereichs und des Schutzzielgedankens.

Peter Dupach: Richtig, genau. Manchmal ist es auch die Kombination aus beiden. Läuft die Straße parallel, macht eine Leitplanke/Fahrzeugrückhaltesystem mehr Sinn. Habe ich eine T-Kreuzung, wo frontal ein Fahrzeug kommen kann, plane ich zusätzlich eine Durchfahrtsbarriere.

Tim Tusar: Ja, genau. Und bei den Anpralldämpfern – ich bin ja Produktmanager dafür –: Die stehen meist an Autobahnausfahrten oder anderen Ausfahrten, wo ich im letzten Moment noch hadere. Wenn da eine Absenkung stünde, kann das zu einem Rampeneffekt führen. Also setzt man Anpralldämpfer ein. Prinzip: Deformation, Energieabsorption – aber so, dass das Fahrzeug schnell zum Stillstand kommt und der Insasse nicht sterben muss.

Peter Dupach: Ich würde gerne zum Ende kommen. Ich fand das sehr interessant. Ich hatte vorhin erzählt, dass Projekte das verwechseln – Fahrzeugrückhaltesystem (klassische Leitplanken) vs. Durchfahrtsschutz. Ich wünsche mir, dass man uns früher ins Boot holt, gerade bei der Geländeplanung, damit genug Platz für Wirkungsbereiche etc. da ist. Wenn Sie den Satz vervollständigen würden: Für 2025 wünsche ich mir, dass…

Tim Tusar: …die Industrie früher und eher mit ins Boot genommen wird bei Planungen – und dass die Angst bei Straßenbaubehörden, Autobahn GmbH, Straßenbauämtern sinkt, sich an die Industrie zu wenden, wenn es darum geht, Schutzeinrichtungen richtig einzuplanen und das richtige Aufhalteniveau zu finden. Wir geben gerne Informationen weiter, machen Schulungen. Am Ende muss sowieso systemneutral ausgeschrieben werden – der Bezug zur Industrie spielt in der Verwirklichung keine große Rolle. Ich wünsche mir, dass diese Angst nicht mehr vorhanden ist und die Industrie planerisch mit ins Boot geholt werden kann.

Peter Dupach: Das sind zwei gute Wünsche: das frühzeitige Planen und das richtige Planen mit dem richtigen System. So können wir es festhalten. Herr Tusar, vielen lieben Dank für die Podcast-Folge.

Tim Tusar: Ja, danke, dass ich kommen durfte. Hat Spaß gemacht.

Peter Dupach: Sehr toll. Wo geht’s jetzt hin?

Tim Tusar: Zurück in den Westerwald, ins Büro. Ich muss eine Reise nach Österreich vorbereiten – Termin mit einem Partner, es geht um den nächsten Schritt für Planungen.

Peter Dupach: Alles klar. Super. Vielen lieben Dank.

Tim Tusar: Danke auch.

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